Beschreibung
Tagebuch-Auszug 13. Oktober 2003
… wie war das damals, als wir anfingen. In einem Vorwort meines väterlichen Freundes Max Herchenroeder schrieb er über mein und unser Thema …
„Für den bildenden Künstler haben sich die schöpferischen Möglichkeiten, um ,Ausdruck zu schaffen‘, erschreckend verringert. Nicht allein haben die vergangenen Zeiten die ihnen analogen Formzusammenhänge gemäht und geerntet und auf dem Felde kaum etwas übrig gelassen, sondern der aus den Formen sich darbietende ,Ausdruck‘ ist zu einem speziellen und mythischen Wert geworden, der jedem unbemühten und schmerzfreien Zugriff trotzt. Dieser Wert, auf den es allein noch ankommt, hat sich vor den Bewußtseinsspannungen, der tauben Progression zurückgezogen in sein Reich der Tiefe, zum Ton des Muschelhorns, zum Schimmer vorlunarer Götter, zum ungeteilten, schleierlosen Ding. Ohne Heimsuchung kein Künstler und er wird zu einem Experimentator mit sich selbst; die Kunst und er nunmehr ein Grenzfall. Was eventuell aus einer anderen Haltung produziert wird (und leider ist dies immer noch allzuviel), bleibt amüsante Dekoration. Diese Erkenntnis wurde von Gottfried Benn klassisch formuliert – der Ausspruch kann nicht oft genug zitiert werden, wenn es wirklich um Fragen der Kunst geht ,Es hat sich allmählich herumgesprochen, daß der Gegensatz von Kunst nicht Natur ist, sondern gut gemeint; …‘“
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Das war vor weit über 50 Jahren. Also schon damals war es eng geworden, nachdem die Väter die offenen Stellen auf der großen Landkarte der Ausdrucksmöglichkeiten in der Kunst ganz allgemein so besetzt hatten, daß uns Jungen wenig Platz blieb zur großen, eigenwilligen Entfaltung. Doch es gab noch Plätze, auch wenn Oskar Kokoschka mir einmal 1958 in Hamburg beschied: Er sei der letzte Maler – was er offenbar von Courbet entlehnte, der das zu Corot gesagt haben soll, in der späten Mitte des 19. Jahrhunderts.